Thursday, October 27, 2005

MONODRAMA: Oxygen, Teil 3

III. Bild


Epimetheus

Die Wolkennebel verwirbeln. Kornbichlers Gestalt ist vereist.

Dass nicht Katastrophen vielmehr
Verseuchte Landschaften gestalten
Dass so viel funktioniert!
Darauf lässt sich aufbauen.
Dass eine geheime Kraft alles
Letztendlich zum Guten schafft!
Dass wir an eine Kugel
Gefesselt sind auf
Nur einem Planeten leben!
Wie eine Pflanze Samen
In den Wind schießt
Raketen ins Weltall!
Wie wir sie atmen
Luft auf dem Mars!

Er verstummt.

Rote Kinderaugen
Schauen einen
Sternenhimmel der
Hinauf schluckt.
Zeus, sieh dich vor!
Challenger-Airbus gepflügt
Den Himmelsacker!

Lacht ausufernd.

Gefriergetrocknet
Mein Schädel
Das muss der Wind sein
Denn Gletscher schmelzen.
Beinahe kein Betrug mehr
An unserer Natur
Verwirklichung Laufrad!
Gesichter wie aus
Tiefschlafträumen
Millimeterweise
Durch diese Nacht
Die ihre Zeit dehnt
Wie ein Leben.

Aus der Ferne tönt eine alte Tanzmusik herüber.

Vom Dorf ziehen sie herauf
Zum Almfest!
Wie eine Mücke
Die Blut saugt
Zur Hütte!
Mir scheint sie spielen
Instrumente.
Tragen eine Herrscher-Büste
Zum Gipfel
Wie die von Stalin
Im Kaukasus

Die Musik bricht ab.

Sie sind verschwunden
In solcher Wattewelt
Kein Laut mehr
Kein Echo ihres Daseins
Decompression, please
Take your oxygen-mask!

Es schneit stärker.

Verantwortungsloses Tiefschnee
Nachtgestocher einer Herde
Euphorisierter Blindläufer!
Dem Bergführer hinterdrein
Dem Dorfdepp
Dem österreichischen!
Ich spüre meine Nase nicht
Hatte ich jemals eine Nase?
Eine echte Küchenweisheit
Die dorrt in ihrem Rahmen.
Musst in dieser Nacht noch
Einen neuen Gletscher frieren
Großer Froster meinen
Aus Not gezimmerten Glauben
Gleich zerschmettern
Spuckte mit abscheulich
Abergläubischer Rede
Mir Hoffnung
In meinen Schicksalstopf
Den du da oben mißachtest
Wie Reiche einen Bettlerhut
Werde mich daran erinnern
Werde mir vertrauen
Dass ich nach menschlichem
Ermessen Herr über mich bin.
Such dir einen Pfand aus
Gleichgültiger Menschenfresser
Ich löse ihn ein mit Zinsen
Sobald die Wetter besser sind
Am Beamtenschalter deiner Ordnung
Lachst mich aus?
Wer mächtig ist lacht leicht.
Ich lache auch!

Er lacht und sein Lachen hallt wieder.

Ich friere nicht.
Mich wärmt ein Feuer
Nicht verborgene Macht

Schweigen.


Eine Stille steht hier
Lauernd wie ein Raubtier
Seine Muskeln anspannt
Vor dem Sprung
Nicht feierlich
Und nichts an ihr wirkt heilig
Tägliche Sterbensübung
Ist Einschlafen sanft
Ganz ohne Furcht
Was mir die Offenheit
Des Himmels abringt!
Ist lediglich ein Dialog
Nimm es gelassen Gott
Wollte nicht hinaus.
War nur gezeugt
Eine lange Lebensreise
Das Wort ist mir geblieben
Hinaus!
So bin ich hier

Geräusch von Wind.

Wie spät ist es? Alter
Heliumreaktor
Lässt auf dich warten
Reiss Lawinen los
Lass Polkappen schmelzen
Seif´ alle ein, ersäuf´ sie!
Weil Schafe natürlich
In ihre Wolle wachsen
Sollen sie dort sicher sein?

Schweigen.

Vom Himmel schweb´ ich ein
Im Nachtanflug und seh´
In Meilern Höllenfeuer
Davon das Lichterspiel
In Türmen und
Rot-weiß durch Adern
Mit einem Ziel wohl
Gewiß mit einem Drang
Die unbekannte Weisung
Die nicht erkennbar ist
Von oben

Lachen.

Das wächst, ein Krebsgeschwür
Licht glitzert an Licht
Funkelnd in Nächten
Wunderwerk Feuer
In Menschenhand
Die Waffe Paradies
Ein kaltes Lichterspiel
Europas Tagesanbruch
Mahnt mordend sich
Der Verbrechen
Gegenseitig
Erhoffe nichts mehr
Als eine kleine
Erdendrehung.

Musik und Stimmen erklingen in der Nähe.

Hierher! Nachtblinde
Sucht mich im Berg?
Schatten ohne Schlaf
Willkommen!
Mondgesellschaft
Tote die lebend
Sich glauben

Stimmen und Musik entfernen sich.

Hierher!

Stille.

Ihr zieht vorbei?
Dem Totenzug
Schließ ich mich
Nicht an
Wie? Was brüllt ihr?
Vereist sind meine Ohren
Also müsst ihr brüllen
Ach, ein Sturm nur
Der sich in diesen Eishang bohrt
Ihr Wolkenfetzenschatten

Musik und Stimmen.

Hierher!
Nur Lebensmüde
Meiden jeden Abgrund
Schaut!

Das tosende Geräusch einer Lawine, die sich nähert.

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Weitere Informationen über den Autor Volker Lüdecke finden Sie unter:

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